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Fotos: Karina Behrendt

Nr. 4

Nr. 4 - Eine Raum- und Soundinstallation

Noch ein Geheimnis

An dem Tag bin ich mit meinem Dad zur chemischen Reinigung gefahren –
Was wusste ich damals schon über den Tod? Dad kommt raus mit
einem schwarzen Anzug in einem Plastiksack. Hängt ihn hinter den Rücksitz
des alten Coupès und sagt: “Das ist der Anzug, in dem dein Grandpa
die Welt verlassen wird.“ Wovon um alles in der Welt
redet er da? fragte ich mich.
Ich strich über das Plastik, das glatte Revers des Jacketts,
das, zusammen mit meinem Grandpa, weggehen würde. Damals war’s
nichts weiter als noch ein Geheimnis.

Dann kam eine lange Zwischenzeit, eine Phase, in der Verwandte fortgingen,
hierhin und dorthin, links und rechts. Und dann war mein Vater an der Reihe.
Ich saß da und sah ihn aufsteigen in seinem eigenen Rauch. Er besaß
keinen Anzug. Also kleideten sie ihn grausig in
ein billiges Sportjackett, banden ihm einen Schlips um
zur Feier des Tages. Verbogen seine Lippen
zu einem Lächeln, so als wollte er uns beruhigen: Keine Sorge,
ist nicht so schlimm, wie’s aussieht. Aber wir wussten es besser. Er war tot,
oder? Was konnte einem Schlimmeres passieren? (Überdies waren seine Augenlider zugenäht, damit er nicht Zeuge des furchtbaren Anblicks
werden musste.) Ich berührte
seine Hand. Kalt. Die Wange, wo ein paar
Stoppeln um das Kinn herum durchgekommen waren. Kalt.

Heute kramte ich dieses Durcheinander aus den Tiefen der Erinnerung hervor.
Vor einer Stunde oder so, als ich meinen eigenen Anzug
aus der Reinigung abholte und vorsichtig hinter den Rücksitz hängte.
Ich fuhr ihn nach Hause, öffnete die Autotür und
hob ihn heraus ins Sonnenlicht. Ich stand einen Moment da,
auf der Straße, die Finger fest um den Drahtbügel gelegt. Dann
riss ich ein Loch durch das Plastik zur anderen Seite. Nahm den einen
leeren Ärmel zwischen die Finger und hielt ihn –
hielt das rauhe, griffige Tuch.
Ich tastete hindurch, zur anderen Seite.

Raymond Carver

Vernissage: 13. September 2014 im Rahmen der Kunst- und Ateliertage Wilhelmsburg, Atelierhaus 23 Hamburg
Vernissage: 14. November 2014 im Rahmen von Raumformen in der B-Side, Münster

 

Installation: RUE OBSCURE (Karina Behrendt, Anne Keller)
Übersetzung: Helmut Frielinghaus

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